Eine völlig neue Lage


Sieht Polizisten öfter Gewalt ausgesetzt: Sachsens Innenminister Prof. Dr. Roland Wöller (CDU). (Foto: BS/Feldmann)

Die Sicherheitssituation hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. Das sieht auch Sachsens Innenminister Prof. Dr. Roland Wöller (CDU) so. Er betonte auf dem Dresdner Polizeitag, den der Behörden Spiegel zusammen mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) veranstaltet: „Wir haben eine völlig neue Lage, die bei der Polizei durchschlägt.“ So gebe es öfter Gewaltexzesse gegen Polizisten und Bedrohungen der Beamten in deren Privatleben, kritisierte der Ressortchef.

Zudem machte er deutlich, dass jeder Angriff auf Vollzugsbeamte eine Attacke auf die Gesellschaft sei. Denn: „Polizisten sind nicht der Mülleimer der Nation.“ Und: „Ohne Sicherheit ist alles andere nichts.“ Vielmehr handele es sich dabei um ein hohes Gut, das tagtäglich geschützt werden müsse. Geschehe dies nicht, werde es für die Polizei schwierig, ausreichend Nachwuchskräfte zu rekrutieren, da es sich um ein existentielles Bedürfnis handele.

Darüber hinaus unterstrich Wöller: „Wir sind mitten in der Digitalisierung.“ Für die polizeiliche Arbeit habe dies zur Folge, dass nichts mehr privat sei und es noch mehr Transparenz brauche. Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, würden die Social Media-Teams der sächsischen Polizei künftig verstärkt. Außerdem kämen in diesem Jahr 100 zusätzliche Bundespolizisten und 2019 250 weitere im Freistaat zum Einsatz. Grundsätzlich machte der Dresdner Innenminister klar, dass der Kampf gegen Gewalt, Radikalisierung und Extremismus nicht nur eine polizeiliche, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei. Des Weiteren müsse der Staat überall und jederzeit in der Lage sein, den Rechtsstaat durchzusetzen. „Wir brauchen einen starken und sich selbst beschränkenden Staat“, verlangte Wöller.

 

Verlangte eine bürgernahe Polizei: Hagen Husgen, Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen der Gewerkschaft der Polizei (GdP). (Foto: BS/Feldmann)

Für diese Forderung erhielt der Innenminister Zuspruch vom sächsischen GdP-Landesvorsitzenden Hagen Husgen. Auch er konstatierte, dass das Dulden von Kriminalität zu gesellschaftlicher Spaltung und Unmut bei den Bürgern führe. Damit die Beamten ihre Arbeit effektiv machen könnten, brauche es eine große Bürgernähe sowie eine gute Aus- und Fortbildung. Zudem komme es auf ein zeitgemäßes Polizeirecht an, das nicht zwangsläufig eine Kennzeichnungspflicht für die Beamten beinhalten müsse. Denn eines sei klar: „Gewalt macht nicht vor der Polizei Halt.“ Außerdem unterstrich Husgen: „Gewalt, Radikalisierung und Extremismus sind Herausforderungen für die Polizei.“ Und das nicht nur in Deutschland, sondern europaweit.

Auf die entsprechende Gefahrenlage im Freistaat gingen Lutz Rodig, Referatsleiter für Kriminalitätsbekämpfung im Dresdner Innenministerium, und Gordian Meyer-Plath, Chef des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), ein.
So berichtete Rodig, dass Ende letzten Jahres 1.317 Personen in Sachsen der Reichsbürgerszene zugeordnet worden seien. Darunter hätten sich auch 79 Rechtsextremisten befunden. Seit 2012 seien die Mitglieder der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene, die keineswegs homogen sei, im Freistaat mit 1.759 Straftaten auffällig geworden. Auch im Bundesvergleich sei der Anteil der Reichsbürger mit 8,3 Prozent besonders hoch, so Rodig. Auch aus dem islamistisch-salafistischen Spektrum droht Gefahr. Es gebe aktuell 390 Islamisten und rund 200 Salafisten in Sachsen, erläuterte Meyer-Plath. Auch diese beiden Milieus seien äußerst heterogen. Gleichwohl eine alle Islamisten, dass sie religiöse Begriffe aufladen würden und es sich zum Ziel gesetzt hätten, eine islamistische Herrschafts- und Gesellschaftsordnung zu schaffen. Und die Salafisten verbinde, dass sie in einer Parallelgesellschaft lebten, so der Dresdner LfV-Präsident.

Dabei hätten Radikalisierungsprozesse heutzutage kaum noch nur noch einen einzigen Auslösergrund. In aller Regel seien sie multikausal bedingt, unterstrich Sven Forkert, Geschäftsführer des Landespräventionsrates Sachsen. Zudem machte er deutlich, dass radikalisierte Personen vor ihrem Abdriften in den Extremismus oftmals bereits kriminell und polizeilich auffällig geworden seien.